Erzählen ist Kontakt
Erzählen ist Dialog 
 

Was das freie künstlerische Erzählen vom Vorlesen unterscheidet

Präsenz

Wenn wir erzählen, sind wir für unsere Zuhörer:innen mit unserer ganzen Person präsent – ohne Maske und ohne Kostüm. 

Wir haben kein Buch vor uns und spielen auch keine Rolle. Wir sind einfach da und schenken einander für eine gemeinsame Zeit unsere Aufmerksamkeit. 

Aladdins Lampe

Miteinander

Beim Erzählen schauen wir einander an, tauchen gemeinsam ein in die phantastische Welt der Geschichte. Wir Erzähler:innen kennen uns gut darin aus und führen die Zuhörer:innen an einer unsichtbaren Hand durch fremdes, manchmal auch gefährliches Terrain. 

Welches emotionale Gepäck die Hörenden aus ihrem Alltag mitbringen, wissen wir nicht. Im stabilen Kontakt aber, können wir uns gegenseitig wahrnehmen und so gemeinsam auch irritierende, emotionale Situationen durchschreiten. 

Erfahrung

Mag das Erzählte auch noch so alt und bekannt sein, als Erzähler:innen verknüpfen wir Geschichten mit eigenen Erfahrungen, mit eigenen Worten und Bildern. Jede Geschichte ist ein Geschenk für uns und unser Gegenüber. 

Die Zuhörenden können uns Erzählende mit ihren Reaktionen führen und teilweise direkt in die Erzählung eingreifen. In diesem Kontakt können wir wahrnehmen, wann die Konzentration nachlässt, ob mehr Dynamik im Einsatz von Stimme und Körper notwendig sind, oder ob eine Pause sinnvoll ist. 

Wechselspiel

Als Erzähler:innen können wir im Wechselspiel von Augen und Körper beobachten, was die Zuhörenden im jeweiligen Moment brauchen. Körpersprache, Mimik, Gesten und Stimmklang können in dramatisch erlebten Situationen verdeutlichen, dass die berichtete Handlung ein gutes Ende nehmen wird. 

Dialog

Im ständigen Augenkontakt können wir Erzählenden auch beobachten, ob unsere Worte verständlich sind. Spontan eingebrachte Gesten, eingeschobene Erklärungen oder Rückfragen helfen, entstandene Unklarheiten jederzeit aufzulösen. Rückfragen oder eigenes Weitererzählen der Zuhörer:innen unterbrechen nicht den Prozess, sondern sind willkommener Teil des Dialogs.